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22. Sonntag nach Trinitatis: Röm 7,14-25
22. Sonntag nach Trinitatis: Röm 7,14-25
# Archiv Predigten 2018
22. Sonntag nach Trinitatis: Röm 7,14-25
Es ist schon ein lohnendes Parkett, auf das Paulus uns hier führt. Er stellt die Frage nach dem Guten im Menschen und nach dem Tun des Guten und versucht dann zu beschreiben, warum und woran das Tun des Guten dann doch gelegentlich scheitert.
Bleiben wir erstmal bei uns selbst.
Mir fallen unzählige Beispiele ein, wo ich selber oft im Streit liege mit mir, das für mich doch erkennbar Gute zu tun.
Ich nehme mir vor, Sport zu machen, weil es mich fit hält, dann ist es aber doch plötzlich zu kalt draußen und irgendwie war der Tag anstrengend und ich lass es bleiben. Ich stelle mir den Wecker früh, damit ich in der Frische des Morgens meditieren kann, aber das Bett ist einfach zu warm und zu weich. Ich könnte das kleines Stück mit dem Fahrrad fahren, soweit ist das nun auch nicht, und nehme doch das Auto.
Schokolade ist ganz gefährlich. So lange wie möglich mache ich einen großen Bogen um das Küchenfach, in der sie liegt, - aber irgendwann ist sie dann doch dran.
Die Liste ließe sich fortsetzen.
Wie sagt es Paulus in seiner ungeschönten Sprache: …das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
Und die Kreise lassen sich durchaus größer ziehen.
Deutschland ist bekannt als die Nation der eifrigsten Müll-Trenner in der Welt. Und doch kommen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass wir Deutschen Spitzenreiter wären in der Müllproduktion. Plastikmüll steht da ganz oben, und das mit dem Recycling funktioniert irgendwie auch nicht so richtig.
Sogar dem kleinen ostafrikanischen Staat Ruanda gelingt es, Plastiktüten im ganzen Land zu verbieten. Was läuft bei uns falsch?
Das vordergründig Gute, was wir meinen zu tun, erweist sich am Ende dann doch als schädlich und wenig hilfreich, weil unser Leben so unglaublich komplex geworden ist.
Auch hier kann die Liste weitergeschrieben werden…
Wieso wurden Abgaswerte manipuliert? Ich vermute, jeder der beteiligten Ingenieure liebt die Schönheit der Natur, wie jeder und jede von uns, und doch passiert so etwas.
Paulus stellt die Frage nach der Moral.
Und interessanterweise geht er davon aus, dass wir Menschen offenbar eine Ahnung in uns tragen, - davon, was das Gute ist. Er sagt, dass wir mit dem Gesetz Gottes, das er natürlich für unumstößlich gut hält, im Inneren übereinstimmen. Wir sind irgendwie synchron sind - mit dem Guten, das von Gott kommt. Von Geburt an tragen wir ein Wissen um das Gute in uns. Jedenfalls in der Theorie!
Dann nämlich gibt es nach Paulus noch ein anderes Gesetz, das Gesetz der Sünde, das uns – wie er schreibt - in den Gliedern steckt, und dass uns andauernd befeuert und uns vom Tun des Guten abhält.
Mir fallen eine ganze Menge Synonyme für dieses Gesetz der Sünde ein: Bequemlichkeit, Trägheit, oder Verdrängung, Gier, Macht, Faulheit – auch im Denken. Nicht nachdenken wollen über bestimmte Zusammenhänge.
Ja, wir Menschen sind nicht vollkommen und nicht perfekt. Und manchmal hilft es schon, es sich einfach nur mal einzugestehen, dass wir anfällig sind auch für Fehler.
Genau das macht Paulus. …das Gute, das ich will, - sagt er - das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
Natürlich nicht immer und allezeit. Aber es liegt in uns.
Nun haben sich Generationen von Theologen, von Philosophen und auch Naturwissenschaftlern bis heute immer wieder mit der Frage beschäftigt, ob es etwas von Natur aus Gutes, etwas moralisch Gutes im Menschen gibt.
Paulus war sicherlich von seinen jüdischen Wurzeln her geprägt durch das Bild der Gottebenbildlichkeit des Menschen, wie es im ersten Schöpfungsbericht in der hebräischen Bibel erzählt wird: Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild. Durch diese Ebenbildlichkeit mit Gott muss etwas Göttlich-Gutes im Menschen angelegt sein.
Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant richtete Jahrhunderte später, in der Mitte des 18. Jahrhunderts, seinen Blick auch auf die Frage nach dem Guten im Menschen, grenzte sich dabei aber von aller Kirchlichkeit und Theologie ab - und betonte – ganz ähnlich wie Paulus - den Willen des Menschen, Gutes zu tun. Der Mensch, so schreibt er, kann sich zum Gutsein entscheiden. Von der Fähigkeit des Menschen Gutes zu tun, war Kant derart angetan, dass er ihm eine besondere Auszeichnung verlieh, nämlich die Menschenwürde. Schließlich sah er in diesem Gut-sein-können des Menschen gleichsam eine Pflicht zum Gut-sein-Sollen. Und eben dazu hilft dem Menschen sein guter Wille! Kant nannte dies den kategorischen Imperativ.
Heute ist es vor allem die Wissenschaft der Neurobiologie und dort die sogenannte Hirnforschung, die auf der Suche nach dem moralisch Guten im Menschen ist. Wer weiss, irgendwann werden wir womöglich sagen können, genau dort in unserem Gehirn liegt das Zentrum für das moralisch Gute. Und wir werden dann vielleicht auch wissen, wie wir es mit fremder Hilfe stimulieren können.
Wäre das nicht die Lösung aller Probleme? Ja, das ist durchaus ein wenig Science-Fiction. Aber es wird eifrig daran geforscht.
Die Worte von Paulus halten heutzutage längst nicht mehr mit im wissenschaftlichen und philosophischen Diskurs.
Seit der Aufklärung, ist dem Menschen seine eigene Vernunft das Maß aller Dinge geworden. Und das hat auch sehr viel Gutes gebracht. Ein Bewusstsein für Menschlichkeit und Menschenwürde, für Freiheit und auch Demokratie. So vieles, was heute selbstverständlich ist.
Was ich dennoch vermisse, würde ich beschreiben als ein Offensein und eine Öffnung des Menschen über den Menschen hinaus. Ein Menschsein, das eben mehr ist als nur Vernunft, und das mehr ist als allein elektro-chemische Prozesse in unserem Gehirn. So wichtig und spannend das alles ist.
An den alten und manchmal etwas staubig anmutenden Worten und Geschichten der Bibel mag und schätze ich das ehrliche Eingeständnis zum Scheitern. Dieses Größer sein des Menschen über das Menschsein hinaus, die Heiligkeit und auch die Würde des Menschen beginnt im biblischen Sinne erstaunlicher Weise mit einem kleiner werden des Menschen.
„Ich elender Mensch!“ sagt Paulus, „Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes? aus diesen Verstrickungen?“
Es sind Erfahrungen von Vergebung und von Versöhnung, von Gnade und dann eben auch von einer größeren Liebe, die sich genau hier an dieser Stelle einnisten können, wenn wir das Menschsein größer denken. Es sind religiöse Erfahrungen.
Eine Haltung, die die Brüche des Lebens, das Unvollkommene und das Scheitern im Leben nicht nur mit Vernunft und denkend zu erklären sucht, sondern eine Haltung, die die Kraft hat, diese Brüche und dieses Scheitern anzusehen und auszuhalten, ohne fliehen zu wollen, und ohne Bewertung.
Ich darf mich in meinem Scheitern trotzdem angenommen und getragen wissen von etwas Größerem. Ich bin nicht verloren, ich bin nicht schlecht, ich bin kein keiner Verlierer, auch wenn ich vielleicht gerade verloren habe.
Die ehrlichen Worte von Paulus, so fern sie unseren Hörgewohnheiten erscheinen, ermutigen doch dazu weiter zu wachsen.
Gott steht nicht für Vollkommenheit und Perfektion im Leben, sondern, um es mit Jesus zu deuten, für ein Wiederaufstehen, - für ein Wiederaufstehen für das Leben und gegen das Unrecht, weil es ein Licht gibt, eine Richtung, ein inneres und gemeinschaftliches Getragen-Sein. Daraus wächst eine Kraft, die Mut macht, das Gute zu tun!
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