02/07/2024 0 Kommentare
Rogate: Kol 4,2-4
Rogate: Kol 4,2-4
# Archiv Predigten 2018
Rogate: Kol 4,2-4
Liebe Gemeinde,
Rogate! Betet!, so heißt dieser Sonntag. Und auch unserem Predigttext beginnt mit diesen Worten: „Seid beharrlich im Gebet!“
Und das ist vielleicht auch schon das Wichtigste am Beten. Es zu tun. Nicht nachzulassen damit. Dranzubleiben. Es einfach zu tun, immer wieder zu üben.
Es ist ein Herzstück unseres Glaubens und gleichzeitig komplett aus der Mode gekommen.
Wenn überhaupt, dann nur noch im Privaten zu Hause, in der Öffentlichkeit eher verschämt versteckt. Haben Sie einmal gesehen, wie jemand in der Öffentlichkeit ein Tischgebet gesprochen hat – nur still für sich - und die daneben Sitzenden nicht so recht wussten, wohin sie sehen sollten, was sie tun sollten. Es ist ein bisschen aus der Zeit gefallen, den eigenen Glauben zu zeigen, sich zu zeigen mit dem, was einem heilig ist bei uns.
Und gleichzeitig fragen mich immer mehr Menschen danach, wie das eigentlich geht, das Beten, wie man das eigentlich machen soll. Deshalb will ich heute, am Sonntag Rogate – Betet! - dazu etwas sagen, grundsätzlich sozusagen. Eigentlich hauptsächlich zum allerersten Teil unseres Predigttextes: „Seid beharrlich im Gebet“, weil alles andere, was danach kommt: der Dank, die Fürbitte für andere, der Zweifel, das Geheimnis Christi, das Geheimnis unseres Glaubens, die Gefangenschaft der Seele, die Frage danach, wie wir reden können von dem, was uns und unsere Sprache so übersteigt und unterwandert, wie wir Menschen erreichen, die davon noch nichts gehört oder damit längst abgeschlossen haben, der Preis der Nachfolge uswusf., all das kommt erst danach, ist sozusagen Beten für Fortgeschrittene. Erwächst daraus, blüht auf dem Grund, der vorher sorgsam vorbereitet wurde.
Man kann über das Gebet trefflich philosophieren, man kann trefflich darüber streiten, man kann daran zweifeln, ob überhaupt jemand zuhört auf der anderen Seite oder es eine bloße Selbstbespiegelung ist. Man kann daran verzweifeln, wenn man von ihm erwartet oder erhofft, dass Gott einem dabei zu Willen ist. Man kann dabei erleben, von Gott selbst an der Hand genommen und zutiefst gewandelt zu werden. Man kann so viel darüber sagen. Das Wichtige, das Wichtigste überhaupt, finde ich, ist, es zu tun. Sonst ist alles Reden darüber Schall und Rauch. Es geht darum, eine Praxis zu finden für den Alltag, einen Anfang. Und dann darum, diesem Anfang treu zu bleiben. Und an dieser Praxis entlang in die Tiefe zu wachsen, in die Tiefe einer persönlichen Gottesbeziehung, die es nicht gibt ohne das, was wir Gebet nennen. Beten gehört zum Handwerk unseres Glaubens, es zu erlernen zu dem, was wir zu lernen haben, wenn dieser Glaube etwas bedeuten soll in unserem Leben! So einfach, manchmal so schwer.
Immer wieder fragen mich Menschen danach, wie das eigentlich geht, beten. Eltern von kleinen Kindern, wie sie das eigentlich machen sollen, ihren Kindern das Beten nahebringen. „Indem Sie mit ihnen beten“, sagen ich dann oft. Viele fragen es als Menschen, die das selber nicht mehr tun oder noch nie getan haben, für die Beten ein unbekanntes Land ist und ich frage mich: Wie soll das gehen, jemandem die Liebe zu etwas zeigen, was man selber nicht kennt, womit man selber keine Erfahrungen gemacht hat? Glücklicherweise gehört die Geburt von Kindern zu den Momenten im Leben, an dem viele Menschen den Himmel offen erleben, staunend vor dem Wunder dieses Lebens stehen und ganz natürlich sozusagen, ins Schwärmen geraten, ins Preisen, in die Dankbarkeit, in die Demut, in das Stottern und Stammeln hin zu einem, der größer ist als wir, wenn wir eine Adresse brauchen für all das, wovon ein Herz voll sein kann.
Ganz oft fangen Eltern dann noch einmal neu an, nach ihrem eigenen Glauben zu fragen. Das ist eine große Chance und natürlich gleichzeitig eine Schwierigkeit. Weil wir nur weitergeben können, was zu uns gehört. Kinder können an uns nur abschauen und eigene Erfahrungen machen mit dem, was sie sehen, mit uns erleben. Darum gilt auch hier: Wie lernt man Beten? In dem man betet !
Wie kann man es Kinder lehren? Indem man mit ihnen betet! Indem man es tut! Und manchmal sind die Kinder selber die besten Lehrer. „Wahrlich, ich sage euch:Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, so vorbehaltlos und voller Vertrauen, der wird nicht hineinkommen,“, sagt Jesus im Markusevangelium zu ihrem Potential. Wir brauchen nicht mehr Bücher darüber, wie Beten geht, wir brauchen mehr Menschen, die beten. Mehr Gläubige, mehr Eltern, die sich auf diesen Weg machen, mehr Großeltern, die sich und ihren Glauben nicht verschweigen, sondern ihn ihren Enkeln zeigen, nahe legen, vorleben.
Fulbert Steffensky (12 Regeln des Gebets) sagt es so unprätentiös wie richtig:
„Spiritualität ist Handwerk, sie besteht nicht aus der Genialität von religiösen Sonderbegabungen. Man kann das Handwerk lernen, wie man kochen und nähen lernen kann...
Aber jedes Handwerk kennt Regeln, und man hat nur Erfolg, wenn man sich an die Regeln hält.“
Und dann erläutert er einige bescheidene Regeln dieses Herzstücks der Spiritualität. Ich möchte sie Ihnen einfach vorlesen, weil sie alles haben, was es braucht, um damit zu beginnen.
- „Entschließe dich zu einem bescheidenen Vorhaben auf dem Weg zum Gebet!... Ein solcher bescheidener Schritt könnte sein, am Morgen und am Abend einen Psalm in Ruhe zu beten; sich einige Minuten für eine Lesung freizuhalten.
- Gib deinem Vorhaben eine feste Zeit! Bete nicht nur, wenn es dir danach zumute ist, sondern wenn es Zeit dazu ist. Regelmäßig beachtete Zeiten sind Rhythmen.
- Gib deinem Vorhaben einen festen Ort! Orte sprechen und bauen an unserer Innerlichkeit.
- Sei streng mit dir selber! Mache deine Gestimmtheit und deine augenblicklichen Bedürfnisse nicht zum Maßstab deines Handelns! Beachtung von Zeiten, Orten und Methoden reinigt das Herz.
- Rechne nicht damit, dass dein Vorhaben ein Seelenbad ist! Es ist Arbeit - labor! - manchmal schön und erfüllend, oft langweilig und trocken. Das Gefühl innerer Erfülltheit rechtfertigt die Sache nicht, das Gefühl innerer Leere verurteilt sie nicht. Meditieren, Beten, Lesen sind Bildungsvorgänge. Bildung ist ein langfristiges Unternehmen.
- Sei nicht auf Erfüllung aus, sei vielmehr dankbar für geglückte Halbheit!
- Beten und Meditieren sind kein Nachdenken. Es sind Stellen hoher Passivität. Man sieht die Bilder eines Psalms oder eines Bibelverses und lässt sie behutsam bei sich verweilen. Meditieren und Beten heißt frei werden vom Jagen, Beabsichtigen und Fassen. Man will nichts außer kommen lassen, was kommen will. Man ist Gastgeber der Bilder. Setze den Texten und Bildern nichts entgegen! Überliefere dich ihrer Kraft und lass dich von ihnen ziehen! Sich nicht wehren und nicht besitzen wollen ist die hohe Kunst eines meditativen Verhaltens.
- Fang bei deinem Versuch nicht irgendwie an, sondern baue dir eine kleine, sich wiederholende Liturgie. Beginne z.B. mit einer Formel ("Herr, öffne meine Lippen")... lass einen oder mehrere Psalmen folgen! Lies einen Bibelabschnitt! Halte eine Stille Zeit ein! Schließe mit dem Vaterunser oder einer Schlussformel.
- Lerne Formeln und kurze Sätze aus dem Gebets- und Bildschatz der Tradition auswendig (Psalmverse, Bibelverse. ..)! Wiederholte Formeln wiegen dich in den Geist der Bilder. Sie verhelfen uns zur Passivität. Sie sind außerdem die Notsprache, wenn einem das Leben die Sprache verschlägt. Sie sind wie ein Balken, an dem man sich nach einem Schiffbruch klammert. Wir verantworten ihren Inhalt nicht, denn wir sprechen sie mit der Zunge der Toten und lebenden Geschwister.
- Wenn du zu Zeiten nicht beten kannst, lass es! Aber halten den Platz frei für das Gebet, d.h. tue nicht irgend etwas anderes, sondern verhalte dich auf andere Weise still! Lies, setze dich einfach ruhig hin! Verlerne deinen Ort und deine Zeit nicht!
- Sei nicht gewaltsam mit dir selbst! Zwinge dich nicht zur Gesammeltheit! Wie fast alle Unternehmungen ist auch diese kleine brüchig, es soll uns der Humor über dem Misslingen nicht verloren gehen...
- Birg deinen Versuch in den Satz von Römer 8: Der Geist hilft unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, wie wir beten sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. Wir bezeugen uns nicht selber. Der Geist gibt Zeugnis unserem Geist. Wir sind besetzt von einer Stimme, die mehr Sprache hat als wir selber, oder um es mit einem Satz aus dem letzten Vortrag von Dorothee Solle zu sagen: "Wir beginnen den Weg zum Glück nicht als Suchende, sondern als schon Gefundene." Das ist die köstliche Formulierung dessen, was wir Gnade nennen."
Gott hat uns längst gefunden. Aber meistens wissen wir es nicht und leben, als wäre es anders. Darum: Tun Sie es einfach. Beten sie. Erzählen Sie Gott etwas Echtes von sich. Halten Sie sich ihm hin, so wie Sie sind. Immer und immer wieder. Und was Sie mit ihm erleben, wird Ihr Leben verändern.
Amen.
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