Pfingstsonntag - Apostelgeschichte 2, 1-18

Pfingstsonntag - Apostelgeschichte 2, 1-18

Pfingstsonntag - Apostelgeschichte 2, 1-18

# Archiv Predigten 2015

Pfingstsonntag - Apostelgeschichte 2, 1-18

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde, ein Seminar der verwaisten Eltern, also von Familien, die ein Kind verloren haben und lernen müssen, irgendwie mit diesem unbeschreiblichen Verlust fertig zu werden, ohne zu verbittern. Die versuchen, sich gegenseitig Halt zu geben, um weitergehen zu können. Abschlusstag des Seminars, gemeinsames Abendmahl im großen Kreis. Da stehen 30 Menschen, all hineingezogen in eine persönliche Katastrophe, kleine Geschwisterkinder, Eltern, Großeltern, und feiern zusammen Abendmahl. Die Pastorin gibt einen Korb mit Brot im Kreis herum und sagt : „Teilt das Brot miteinander und gebt es weiter an den Menschen neben euch als Kraft für euren Weg mit den Worten : „Christi Leib für Dich gegeben“. Sie beginnt  mit dem Austeilen und sieht, wie der Korb durch die Gruppe wandert und schließlich bei einer der Mütter ankommt, die neben ihr steht. Ein kleiner Junge aus einer anderen Familie und gibt ihr das Brot mit den Worten : „Weil du es bist!“ und trifft sie damit ins Herz. Und als sie zu weinen beginnt, da fühlt sie sich gesehen, gemeint, verstanden, getröstet. Von Gott und diesem kleinen Jungen neben ihr. Pfingsten. Gottes Geist mitten unter uns. Ein altes Ehepaar. Die beiden sind schon lange unterwegs miteinander, kennen sich gut, vertrauen sich blind und haben lieben gelernt in den Jahren ihrer gemeinsamen Reise. Den anderen, so wie er ist, und sich selbst, so wie man ist. Ein banaler Anlass – ist es nicht meistens so ?- und sie liegen sich in den Haaren. Worte fallen wie „Immer musst du….“, „das ist ja wieder mal typisch“, „kannst du nicht einmal…“. Es kommt wie es kommen muss, sie sind im schönsten Streit miteinander um nichts und wieder nichts. Als er sich auf einmal zu ihr wendet und sagt : „Wir wollen uns doch jetzt nicht wegen so einem Mist erzürnen, oder ?!“ Sie stutzt, sieht, wie er beginnt, zu schmunzeln, zunächst noch bang, ob es klappt, dann aber immer forscher. Und sie wankt noch einen Moment und findet es nicht richtig, weil sie ja eigentlich recht hat und überhaupt und weil sie immer noch so böse auf ihn ist. Und muss plötzlich selber so lachen, dass es nicht mehr klappt mit dem geordneten Ärgerlichsein. So kann es gehen, wenn der Geist Gottes unter uns am Werk ist. Mit seinem Humor, mit seinem Blick auf das, was wirklich wichtig ist.

Der Film „der Himmel über Berlin“ oder die moderne Version davon: „Stadt der Engel“ ist voll von Geschichten, anschaulichen Bildern dieser Kraft Gottes, die zwischen Himmel und Erde am Wirken und Weben ist, zwischen Gott und uns Menschen und von Mensch zu Mensch. Dort sind es Engel, die Menschen trösten, ihnen in den Arm fallen, wenn sie dabei sind, einen schlimmen Fehler zu begehen, dann, wenn es einen Dolmetscher braucht, um den anderen zu verstehen oder sich verständlich zu machen. Wunderbare Bilder davon, wie dünn die Wand ist zwischen dieser Welt und einer anderen, die permanent hineinwirkt in unsere. „Is schon wieder einer am Fügen gewesen!“, nennt eine Freundin von mir das immer, wenn sie den Eindruck hat, dass mehr im Spiel ist als ihre eigenen Möglichkeiten.

Pfingsten, das ist die Erfahrung, die Erfahrung, wie nah der Himmel uns in Wirklichkeit ist, wie nah wir dem Himmel in Wahrheit sind. Oft ohne dass wir es wissen, oft ohne dass wir es begreifen. Und oft so, dass wir erst im Nachhinein erkennen: das war Geist von seinem Geist, da war eine Kraft am Werk, die nicht meine eigene war, sondern mir von fern her unter die Arme gegriffen und mir Aufwind unter meine Flügel gegeben hat. Um Pfingsten feiern zu können, braucht es Erfahrungen mit dieser Kraft und den Mut, diese Kraft in den Erfahrungen unseres Lebens zu suchen und zu finden. Aber erstmal zurück  zum Anfang. An Pfingsten, da feiern wir den heiligen Geist Gottes. Das kann man schnell hersagen, ist theologisch richtig. Das Kommen des Trösters, den Jesus uns verheißen hat als er sich aufmachte zu seinem Vater gen Himmel. Den, den er angekündigt hat, als er nach Hause gegangen ist, heimgekehrt zu Gott, Herkunft und Heimat seiner Seele, Herkunft und Heimat von uns allen. Als er endgültig Abschied nahm. Weg war er an Himmelfahrt. Das zweite Mal hat er seine Jünger verstört zurückgelassen. Auch wenn er es angekündigt hat, wie schon vor Karfreitag seinen Tod, wie schon vor Ostern seine Auferstehung. Wer hat es denn verstanden ??? Auch wenn er versucht hat, wenigstens seine Jünger vorzubereiten auf das, was damals in Jerusalem passiert ist. Wer von ihnen hat es denn begriffen damals, konnte das begreifen? Alle waren sie doch verstört, am Ende, Trauernde. Mühsam nur –und wer will es ihnen verdenken- begannen sie nach Ostern zu begreifen, dass dies wohl doch nicht das Ende war, dass dieser Tod wohl doch nicht das letzte Wort Gottes blieb. Tastend haben  sie sich zu orientieren versucht als der Auferstandene ihnen nach Ostern begegnet ist, so nah und doch so unsagbar fremd, so vertraut einerseits und gleichzeitig so rätselhaft anders andererseits, so zugewandt und doch so unfassbar. Und dann nach Himmelfahrt, dann auch diese Möglichkeit der Begegnung zwischen den Welten nicht mehr. Weg war er an Himmelfahrt. Vielleicht haben die ersten damals geahnt : das ist noch nicht alles. Da kommt noch was. Vielleicht haben damals die ersten angefangen zu begreifen : er hat davon gesprochen, er hat das alles vorhergesagt. Er hat versucht, uns darauf vorzubereiten. Auf alles, was kam. Auf die Angst. Auf die Trauer. Auf das Alleinsein. Auf die Verzweiflung. Auf alles, was kam. „In der Welt habt ihr Angst. Aber fürchtet euch nicht, ich habe die Welt überwunden!“, hat er gesagt und versprochen :

Der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

Als ob das so einfach wäre, darüber nicht zu erschrecken, über dieses Verlassenwerden, das so endgültig klingt. Als ob es so einfach wäre, sich nicht zu erschrecken und statt dessen diesem Tröster anzuvertrauen, der so unbekannt und unbegreiflich und fremd ist. Das war Glauben für Fortgeschrittene sozusagen. Daran glauben, dass Gott da ist, obwohl der, der ihn auf diese Erde gebracht hat, weg ist. Daran glauben, dass Gott da ist und da bleibt, mitten unter uns, auch wenn wir ihn nicht sehen können. Dass seine Energie, seine Leidenschaft für unser Leben, seine Kraft mitten unter uns wirksam ist, auch wenn wir sie nicht fassen, nicht festhalten, nicht kontrollieren können. Dass das, wofür Jesus Christus gelebt hat, bleibt. Gilt. Auch wenn wir unseren Weg von jetzt an von innen geführt, aus dem Herzen geleitet, gehen müssen. Das war für die Jünger damals ein Quantensprung. Genau wie für uns heute. Glauben für Fortgeschrittene eben. Glauben, dass er noch von weit her sein Gottvertrauen in unser Leben webt, so wie damals in das Leben der Menschen, denen er begegnet ist. Genau so und doch ganz anders.Glauben können, dass er unter uns am Werk ist, wie in der Abendmahlsrunde der verwaisten Eltern, wie zwischen diesem alten Ehepaar, wie überall dort, wo einen Bewahrung widerfährt, Trost und Führung. Selig, die es nicht sehen und doch glauben. Dass sein heiliger Geist am Werk ist. Der, den er angekündigt hat. Der, der die Verbindung hält über alle Abschiede hinweg. Der, der uns alles lehren soll und wird, was wir wissen müssen, wenn wir es an Jesus selbst nicht mehr abgucken können. Wenn wir wie seine Jünger damals auf innere Peilung gehen müssen, der Resonanz Gottes in unserem Herzens folgen. Lernen müssen, die Geister selber zu unterscheiden und die Stimme Gottes aus den vielen Stimmen, die uns ansprechen, herauszuhören. „Wenn ihr mich wahrhaftig sucht, werde ich mich von euch finden lassen.“, das bleibt die Verheißung Gottes, die Erfahrung Jesu und sein Vermächtnis. Und uns bleibt, darauf zu vertrauen, dass das stimmt und ihn zu suchen, immer wieder neu. Mit dem Tröster an unserer Seite, mit dem Geist Gottes, der ihn uns finden lässt und es uns manchmal so unglaublich leicht macht, einander zu verstehen, so wunderbar einfach, einander zu lieben, so unfassbar möglich, uns zu versöhnen. (Christus spricht:) Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Sein Wort war Gottes Wort, seine Kraft kam von ihm her, die Koordinaten, nach denen er sich orientierte, stammten aus Gottes Reich und nicht aus den Reichen dieser Welt. Darum konnte er denen, die ihm nachfolgten, anders begegnen und ihnen anderes zeigen als nur die für diese Welt zwingenden Zusammenhänge von Ansehen, Macht und Geld. Mit ihm haben Menschen Gott kennen gelernt. Mit ihm waren sie dem Himmel selbst plötzlich so nah. Weil er ihn auf die Erde gebracht hat. Weil in seinem Blick Gottes Blick auf uns Menschen lag. In seinem Augen unser Ansehen, in seinem Wertschätzung unsere Würde, unverdient und unverlierbar. Jenseits aller Antastbarkeit, geborgen und verbürgt durch ihn. Von ihm können auch wir es lernen, dieses Gottvertrauen, an seinem Weg ablesen, wie auch die Generalkarte unseres Lebens mit Gott aussehen kann. Der Rest ist Übung, Dranbleiben, es neu versuchen, immer wieder, dieses Vertrauen, diese Navigation nach den Sternen, nach den Koordinaten Gottes. Das Feintuning, die Übersetzung in mein ganz persönliches Leben, in die ganz persönlichen Aufgaben meines Weges, in das, was ich zu lernen habe unterwegs, erspart es mir nicht. An Pfingsten aber kommt einer dazu, der mir dabei hilft. Einer, der mich immer wieder daran erinnert, wenn es mir wegrutscht und ich lebe als wüsste ich nicht um diese andere Freiheit, zu der auch ich berufen bin. Wenn ich lebe als hätte mich die Liebe Gottes niemals berührt und etwas in mir aufgeschlossen. So als kennte ich diesen heiligen Raum Gottes nicht, in dem ein jeder von uns ganz ist, heil und gut, geborgen und aufgehoben, komme, was wolle. Weil es uns immer wieder wegrutscht, darum brauchen wir Geist von seinem Geist. Darum brauchen wir Pfingsten. Pfingsten erinnert uns daran und schickt uns den Anstifter Gottes, den Verbinder, den Verbündeten seiner Liebe, damit Gemeinschaft gelingt und wir unseren Horizont füreinander öffnen, einander verstehen, obwohl wir verschiedene Sprachen sprechen und unterschiedliche Wege gehen, uns versöhnen lernen, wo noch Hass ist, uns in Dienst nehmen lassen, damit diese Welt freundlicher wird und menschlicher, gerechter und lebenswerter. Und damit bunt bleibt, was nie schwarz-weiß gemeint war. Wir brauchen den Geist Gottes, diese geheimnisvolle Verbindung zwischen Himmel und Erde, die man nur erfahren, aber nicht fassen kann. Die man in Jesus Christus und in seiner Nachfolge  immer wieder in flagranti in Aktion sehen, aber nicht bannen oder vorzeigen kann. In Wahrheit sind wir : tief geliebt, zur Liebe fähig und berufen, wahrhaft frei. Das ist unser Taufversprechen. Der Geist Gottes hilft uns dabei, es zu leben. Amen.

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