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Osterfrühgottesdienst - 1. Korinther 15, 12-20
Osterfrühgottesdienst - 1. Korinther 15, 12-20
# Archiv Predigten 2015
Osterfrühgottesdienst - 1. Korinther 15, 12-20
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt! Amen.
Über die Schönheit wollte ich nachdenken, über Schönheit des Lebens und unseres Glaubens, und nahm das Programm 2015 der Lutherischen Verlagsgesellschaft zur Hand. „Schöne Dinge mit Sinn und Segen“ steht da als Überschrift und ich erwartete österliche Inspiration. Da gibt es dann „handgefertigte Schmuckstücke aus der Klosterschmiede“. Als Sohn eines Schmiedes habe ich den Klang des Ambosses noch im Ohr, entdecke aber eine billige Armspange „mit Kreuz als Segenszeichen. Ein ideales Geschenk für Männer“ lobpreist des Programm, „und all diejenigen, die im Alltag gern daran erinnert werden wollen, dass sie durch Taufe und Konfirmation von Gott angenommen und gesegnet sind“.
Soso, Taufe und Konfirmation bringen Gott also dazu, Menschen anzunehmen. Gut, dass wir heute getauft haben, sonst ständen Nils und Muhammad doch tatsächlich als Abgelehnte unter uns. Mir liegt ein fast magisches Taufverständnis schon schwer im Magen, da entdecke ich einen Schlüsselanhänger mit Einkaufswagenchip, dieser wiederum gestaltet als „Luther-Konterfei, messingfarbene Ausführung, im dunkelblauen Organza-Beutel“. Meine Seele will es nicht fassen und muss doch damit klarkommen, dass die nächste Seite des Programms den Höhepunkt der schönen Dinge mit Sinn und Segen bringt: Büroklammern – in – Kreuzform. „Nicht nur für die Arbeit am Schreibtisch, sondern auch für theologische Impulse in Andacht, in der Arbeit mit Gruppen oder um die Hände spielerisch meditativ zu beschäftigen.“
Pilgersocken und ein Pilger-Multifunktionstuch, beide mit Jakobsmuschel, runden die Beiträge eines Lutherischen Verlagshauses zur Kultur des christlichen Abendlandes noch ab. Spielerisch meditativ warfen meine Hände wie von selbst das Programm ins Altpapier.
Schönes mit Sinn und Segen, liebe Gemeinde, brauchen wir glücklicherweise nicht zu kaufen. Es umgibt uns. Ein Spaziergang auf dem Elbdeich bei Fährmannsand. Sonne, Wind und plötzlich singen zwei kleine Mädchen „Es tönen die Lieder, der Frühling kehrt wieder“. In meinem Vorgarten steht ein junger Apfelbaum, ein Geschenk einiger Konfis zum Abschluss der gemeinsamen Zeit. Er blüht auf und ich fühle die Zuneigung junger Menschen ganz neu und freue mich. Am kommenden Freitag feiert meine Schwester – nicht zum ersten oder zweiten Mal – ihren ersten Geburtstag. Vor einem Jahr finden die Stammzellen eines unbekannten Spenders, meine andere Schwester und ich konnten nicht einmal diesen Liebensdienst tun, waren ungeeignet als Spender, finden diese Stammzellen sich sozusagen zurecht im Körper meiner Schwester und sterben nicht ab, leben, vermehren sich, bringen einen Menschen ins Leben zurück.
Was für ein Wunder ist das Leben! Immer weist es über sich selbst hinaus, konnte, so lerne ich, immer noch nicht wissenschaftlich eindeutig definiert werden, ist entstanden aus Materie, wie geht das?, gebiert Geist und Seele, erfüllt einen Menschen, macht ihn lebendig, lässt Kinder singen, schafft Verbundenheit, macht dankbar. Und doch so verletzlich, und doch so angewiesen, so bedroht, so missachtet.
Wo liegen seine Quelle und sein Ziel? Wem vertraue ich das Leben an, wenn es mir entschwindet?
Was bedeuten Auferstehung Christi und Auferstehung der Toten nicht nur als behauptete Bekenntnissätze, als theologische Richtigkeiten, sondern für mein Leben, für meinen Glauben?
Die Antworten auf diese Fragen sind unterschiedlich und umstritten, seitdem die ersten Christen ihr grundlegendes Bekenntnis in die Welt trugen: „Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.“
Und wer diesem Satz nicht folgen kann, der zählt für Paulus, und damit bin ich beim Predigttext aus dem 1. Korintherbrief, zu den „elendesten unter allen Menschen“. Starker Tobak – sicher auch für einige unter uns. Ein Werturteil wie dieses steht Christen nicht zu – nicht zu anderen Religionen hin und nicht untereinander. Ich kann nur für mich selbst bedenken, was mir der Glaube an die Auferstehung wert ist und wie ich persönlich dastände ohne ihn. Immerhin weist die Rede von den „elendesten unter allen Menschen“ darauf hin, dass für Paulus Entscheidendes, ja Lebenswichtiges verloren geht, wenn Auferstehung von den Toten nicht geglaubt werden kann. Was mag das sein?
Paulus ringt um Worte – und fängt nicht sehr beeindruckend an: „Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten?“
Nach dem Motto: Hallo? Ich predige und es wird nicht geglaubt? Meine Predigt von Auferstehung wird nicht als Faktum der Auferstehung hingenommen?
Ich denke mich unter die Predigthörer des Paulus und ahne Spott à la Christian Morgenstern: „…und also schließt er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf“.
Paulus versucht es weiter: „Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.“
Naja, die vergebliche Predigt scheint mir der Normalfall und wird für viele Gläubige damals wie heute nur das Gefühl bestärken, von den Kanzeln käme kaum Neues, kaum Wegweisendes. Sagen Sie mir nachher keinen Kommentar zu diesem Satz!
Aber wieso soll mein Glaube vergeblich sein, wenn er nicht Auferstehungsglaube ist? Paulus weiter: „… wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.“
Wenn Glaube halt macht an der Grenze dieses Lebens, wenn meine Hoffnung verhaftet ist auf lebens-länglich, wenn mein Vertrauen sich erschöpft auf Diesseitigkeiten, wenn mein Zutrauen auf Gott sich beschränkt auf die Grenzen, die der Tod setzt, wenn Vollendung und Heilung sich nur hier vollziehen können, nur in diesem Leben, nur in der begrenzten Zeit, die ich auf Erden bin, wenn meine Toten nur so lange leben, wie ich sie erinnere, wenn Jesus nur Vorbild ist – und in seiner ethischen Radikalität, die auf Gewalt verzichtet und auf Feindesleibe setzt, ein für mich viel zu großes Vorbild - , dann verhallte schon Jesu Schrei am Kreuz „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ entweder ungehört in einem leeren Weltengebäude, in dem kein Gott ist, oder er kam an bei einem Gottchen, das irgendwo in diesem Weltgefüge einen kleinen Ort vom wirklichen Herrn und Meister zugewiesen bekommen hat – vom Meister Tod. Und alles wird er durchstreichen, jede Beziehung zu einem Ende führen, die zu mir selbst, die zu anderen Menschen hin, die zu Gott. Absolute Beziehungslosigkeit, Lieblosigkeit.
„Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.“ Paulus hat keine Argumente, er hat nur diesen Glaubenssatz, an dem er sich festhält. Er glaubt an eine Wirklichkeit, an eine Kraft, die aus der Dunkelheit ins Licht, aus dem Nein ins Ja, aus dem Tod ins Leben führt. Er glaubt an eine Beziehung zwischen Gott und Mensch, die Gott nicht aufgibt in seiner Treue, in seiner Liebe. Die Liebe hört niemals auf. Und es verliert Jesus nicht, und es verliert der Mensch nicht sein Gesicht, behält seine Geschichte, sein Gelingen und Scheitern, seine Größe und sein Elend, bleibt konkretes Gegenüber der Liebe Gottes – bleibt es.
Wenn also von „leiblicher Auferstehung“ geredet, wenn der Begriff „Leib“ verwendet wird, dann deshalb, weil „Leib“ sowohl im Aramäischen wie auch im Griechischen über „Körper“ hinaus die Bedeutung von „konkreter Person“ umfasst. Ausgedrückt werden soll mit diesem Sprachbild also, dass Auferstehung einem Menschen in seiner Identität widerfährt – als er-selbst wird er bei Gott sein. Ein Eingehen in eine Weltenseele, ein Sich-Auflösen in eine Energie oder andere Vorstellungen, die zwar ein Weiterleben ausdrücken, aber nicht ein Weiterbestehen des einmaligen von Gott gewollten Ich passt nicht mit den Vorstellungen einer „leiblichen“ Auferstehung überein. Und passt nicht zur Liebe Gottes, die Beziehung will und nicht Aufgabe.
Nichts ist ausgelöscht, verloren, nichts in diesem Leben ist wertlos für das andere Leben, alles findet Heilung oder Vollendung – manches schon jetzt, schon bald; alles dort, wohin Jesus gegangen ist.
Gott ist und bleibt der Handelnde, Gott lässt seine Menschen auch im Tode nicht „in Ruhe“. Hier erst, im Tode, kann er sich endgültig offenbaren als wahrer Gott, der Herr über den Tod ist, indem er Leben schafft, indem er aus dem Nichts ins Dasein ruft. Für den Glauben ist die Auferstehung also erst die Vollendung des Gottseins Gottes und zugleich das große Ja Gottes zum Leben. Den theologischen Begriff der leiblichen Auferstehung können wir gern hinter uns lassen; für viele ist er nichtssagend oder irreleitend. Aber das ewige Ja Gottes zu einem jeden Menschenkind, das soll bleiben.
Jesus hatte doch dieses große Ja Gottes geglaubt und gelebt und andere in dieses Ja hineingenommen; an ihm war doch abzuspüren und nachzuleben, wie Gottes Ja aussieht. Und wie Gott sich im Leben Jesu abbilden ließ, so nun auch in Jesu Tod. Größer kann ich kaum hoffen, aber kleiner kann ich Gott nicht glauben. Das ist heute für mich das Schönste mit Sinn und Segen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist, tiefer und weiter geht als all unsere Vernunft bis hinein in das Leben bei Gott, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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